Reduzierung akademischer Flugreisen: Eine Analyse der sich wandelnder Praktiken, der materiellen Kultur und der kognitiven Normen im Zusammenhang mit Konferenzen

Individuelle Projekte

Akademische Einrichtungen, insbesondere im globalen Norden, stehen unter zunehmendem Druck, die Klimaziele zu erreichen, wobei Flugreisen – insbesondere Interkontinentalflüge – einen großen Anteil an ihren Treibhausgasemissionen haben. Akademische Flugreisen werfen auch finanzielle und soziale Fragen im Zusammenhang mit Gerechtigkeit, Inklusion und Vielfalt auf. Konferenzen, ein wichtiger Faktor für akademische Flugreisen, sind tief in der Forschungskultur verankert. Während die COVID-19 Pandemie zu einer Verlagerung auf virtuelle und hybride Konferenzen führte, die erhebliche Vorteile für die Umwelt und die Chancengleichheit mit sich brachten, gibt es eine Rückkehr zu Präsenzkonferenzen. In ihrer Dissertation untersucht Ariane Wenger Strategien zur Verringerung der akademischen Konferenz-Flugreisen anhand des Konzepts der Transportkulturen und konzentriert sich dabei auf Praktiken, materielle Kultur und kognitive Normen. Mit Hilfe eines multimethodischen Ansatzes, der qualitative und quantitative Daten kombiniert, untersucht sie die Motivationen, Hindernisse und Möglichkeiten für Verhaltensänderungen, um nachhaltigere Forschungspraktiken zu unterstützen.  Die Dissertation zielt darauf ab, verschiedene akademische Stakeholder*innen zu informieren, und steht in engem Zusammenhang mit der Praxis der ETH Zürich, unter anderem mit dem ETH Flugreisen-Projekt.

Über das ETH Flugreisen-Projekt

Das 2017 lancierte Flugreisen-Projekt der ETH Zürich hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen der Flugreisen ihrer Angehörigen zu reduzieren. Die individuellen Reduktionsziele der Departemente beliefen sich zunächst auf einen durchschnittlichen Rückgang der Flugreisen um 15% bis 2025 im Vergleich zum Zeitraum 2016–2018. Die anfänglich beschlossenen Reduktionsmassnahmen variierten je nach Departement, wobei sich fast alle Departemente für eine verstärkte Nutzung der virtuellen Kommunikation entschieden.

2019 begann die ETH Zürich mit der systematischen Überwachung ihrer Flugreisen-Emissionen. Im selben Jahr verabschiedete der Bundesrat das Klimapaket Bundesverwaltung, das eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 50% bis 2030 im Vergleich zu 2006 vorsieht. Als Teil der Schweizerischen Bundesverwaltung orientiert sich die ETH Zürich an diesem Ziel und strebt gleichzeitig an, bis 2030 für Scope 1, Scope 2 und Geschäftsreisen Netto-Null Emissionen zu erreichen. Zu den Fortschritten gehört eine 10-prozentige Reduktion der Flugreisen der ETH Zürich im Jahr 2019, gefolgt von einem 80-prozentigen Rückgang im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19 Pandemie. Allerdings stiegen die Emissionen der ETH Zürich im Jahr 2023 wieder auf über 70% des Niveaus von 2019 an, was die ETH Zürich dazu veranlasste, ihre Massnahmen zur Reduktion der Flugreisen zu überarbeiten, um ihre Ziele für 2030 zu erreichen.

ETH-interne Umfragen haben gezeigt, dass das Flugreisen-Projekt von allen ETH-Angehörigen positiv wahrgenommen wird, wobei die Unterstützung des Projekts je nach Karrierestufe und Zeitpunkt der Durchführung der Umfrage variiert. Vor allem die Professor*innen sehen Flugreisen als relevant für ihre Arbeit an, während Mitarbeitende des Mittelbaus sie als etwas weniger wichtig für ihre Arbeit erachten. Zudem sehen die ETH-Angehörigen die Covid-19 Pandemie als Chance, die Emissionen von akademischen Flugreisen zu reduzieren, da sich die Meinungen über virtuelle Kommunikation verbessert haben.

Weitere Informationen zum Flugreisen-Projekt der ETH Zürich finden Sie hier: https://ethz.ch/de/die-eth-zuerich/nachhaltigkeit/netto-null/flugreisen.html.

Studie I: Die Bedeutung von Konferenz-Flugreisen und Möglichkeiten zu deren Reduzierung

Diese Studie untersucht die Faktoren, die die Reduktion von Konferenz-Flugreisen beeinflussen, indem sie die Daten von acht Online-Umfragen analysiert, die im Rahmen von drei Flugreiseprojekten durchgeführt wurden - dem Flugreisen-Projekt der ETH Zürich, dem Transflight und dem FlyingLess Projekt. An den Umfragen nahmen Forschende aus 17 akademischen Institutionen in der Schweiz, Österreich und Deutschland teil. Anhand des Konzepts der Transportkulturen analysiert die Studie, wie Konferenz-Flugreisen in der akademischen Welt verankert sind, und zeigt Möglichkeiten zu ihrer Verringerung auf. Die Ergebnisse unterstreichen die Rolle von Praktiken, materieller Kultur und kognitiven Normen bei der Aufrechterhaltung von Konferenz-Flugreisen, die von den Forschenden als wesentlich für das Netzwerken und die Karriereentwicklung angesehen werden. Viele Forschende erkennen jedoch an, wie wichtig es ist, Flugreisen zu reduzieren, wobei die COVID-19 Pandemie als ein entscheidender Moment für die Einführung virtueller Konferenzen diente. Im Vergleich zu persönlichen Konferenzen bieten virtuelle Formate Vorteile wie bessere Zugänglichkeit und geringere Treibhausgasemissionen, doch gibt es auch hier Herausforderungen. Auf der Grundlage der Umfrageergebnisse werden in der Studie Strategien und Empfehlungen für langfristige Veränderungen der Praktiken, der materiellen Kultur und der kognitiven Normen vorgeschlagen, um Konferenz-Flugreisen zu reduzieren.

Studie II: Verlagerung von akademischen Flugreisen auf einen nachhaltigeren Forschungsaustausch – Untersuchung der Wirksamkeit von Netzwerken während virtuellen Konferenzen

Wissenschaftliche Konferenzen sind ein fester Bestandteil der Arbeit von Forschenden, da sie die Möglichkeit bieten, Wissen auszutauschen und berufliche Netzwerke aufzubauen. Es wurden jedoch Forderungen nach nachhaltigeren und inklusiveren Konferenzen laut, da traditionelle Konferenzen viele Emissionen verursachen, insbesondere durch die damit verbundenen Flugreisen. Während der Covid-19 Pandemie boten virtuelle Konferenzen eine nachhaltigere und inklusivere Alternative, obwohl das virtuelle Netzwerken oft als ineffektiv empfunden wurde. Um die Erfahrungen von Forschenden mit virtuellen Konferenzen zu untersuchen, wurden halbstrukturierte Interviews mit Organisierenden und Teilnehmenden virtueller Konferenzen geführt. Faktoren, die als Einflussfaktoren für die Wirksamkeit von Netzwerken während virtuellen Konferenzen genannt wurden, wurden mithilfe des Input-Prozess-Output-Modells kategorisiert. Die sich daraus ergebenden Faktoren, die das virtuelle Netzwerken erleichtern oder einschränken, haben gezeigt, dass es für die Konferenz-Organisierenden wichtig ist, die Struktur der Konferenz sorgfältig zu überdenken und spezifische virtuelle Vernetzungssitzungen zu planen sowie Technologien einzusetzen, die das Netzwerken erleichtern. Die Studie zeigt, dass es Beispiele für bewährte Praktiken für effektives Netzwerken während virtuellen Konferenzen gibt, die einen Ausgangspunkt für die Verlagerung von akademischen Flugreisen auf einen nachhaltigeren Forschungsaustausch bieten.

Studie III: Untersuchung einer hybriden Multi-Hub-Konferenz über mikrobielle Ökologie und Evolution (MEEhubs2024)

Diese Studie untersucht die Organisation von hybriden Multi-Hub-Konferenzen anhand einer Fallstudie zu MEEhubs2024, einer hybriden Multi-Hub-Konferenz über mikrobielle Ökologie und Evolution, die im Januar 2024 stattfand. Die Konferenzteilnehmenden nahmen entweder an einem der sechs Hubs in Nordamerika und Europa oder virtuell teil. Das Feedback der Konferenzteilnehmenden wurde durch Umfragen vor und nach der Konferenz (N = 150 bzw. N = 118) erfasst und durch Überlegungen der Organisierenden ergänzt. Die Studie bietet Einblick in die Rezeption dieses neuen Konferenzformats durch die wissenschaftliche Gemeinschaft. Das Format zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die Zugänglichkeit zu verbessern und die Inklusion zu erhöhen, während es gleichzeitig das beschränkte Netzwerken vollständig virtueller Konferenzen angeht. Während die Teilnehmenden das Format im Allgemeinen positiv bewerteten, wurden auch Herausforderungen wie die begrenzte Interaktion zwischen den Hubs und den Teilnahmemodi sowie technische und logistische Hürden festgestellt. Die Studie liefert eine praktische Vorlage für die Organisation hybrider Multi-Hub-Konferenzen und gibt Empfehlungen für Verbesserungen, einschließlich der Einstellung technischer Moderator*innen und des Angebots rein virtueller sozialer Aktivitäten, während sie die Organisierenden auffordert, die Konferenzziele klar zu definieren und zu kommunizieren, um die Erwartungen der Teilnehmenden zu erfüllen.

Personen aus dem TdLab

Ariane Wenger, Michael Stauffacher

Publikationen

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert