Kommunikation in einem Multi-Gefahren-Kontext

Individuelle Projekte

In ihrer Dissertation untersucht Irina Dallo, wie Erdbebeninformationen in einem Multi-Gefahren-Kontext bestmöglich kommuniziert werden können. Es gibt bereits diverse Informationsplattformen, welche die Bevölkerung über die aktuelle Gefahrensituation (z. B. Unwetter, Chemieunfälle, Erdbeben) informieren. Zudem können BenutzerInnen über entsprechende Apps Warnungen als Push-Nachrichten erhalten. Das Ziel der Studie ist es, die Bedürfnisse der Bevölkerung bezüglich solcher Informationsplattformen zu erheben und zu analysieren, inwiefern diese Plattformen der Bevölkerung nützen.

Die Studie ist Teil des EU-Projekts externe SeiteRISE «Real-time earthquake risk reduction for a resilient Europe» und findet in Zusammenarbeit mit diversen Forschungsinstitutionen in Europa statt.

Über das EU-Projekt RISE

Erdbeben stellen für viele Länder eine grosse Bedrohung dar. Sie sind die Naturgefahr, welche weltweit die meisten Todesfälle und grössten finanziellen Verluste fordert. Die Entwicklung von Instrumenten und Massnahmen, um zukünftig Schäden zu reduzieren sowie die Resilienz Europas zu verbessern, sind die primären Ziele von RISE. RISE ist ein dreijähriges Projekt, welches durch das Horizon-2020-Programm der Europäischen Kommission finanziert wird. RISE wird von der ETH Zürich koordiniert und vereint 19 Organisationen aus ganz Europa und fünf internationale Partner.

RISE verfolgt eine integrative, ganzheitliche Herangehensweise, um Risiken zu mindern und berücksichtigt dabei die verschiedenen Phasen des Risikomanagements. Es nutzt und adaptiert neue technologische Möglichkeiten, um erdbebenrelevante Informationen zu verknüpfen und interessierten Nutzern in nützlicher Form zur Verfügung zu stellen. Dazu arbeiten ErdwissenschaftlerInnen, IngenieurInnen, SozialwissenschaftlerInnen, InformatikerInnen sowie ExpertInnen aus weiteren Disziplinen in RISE multidisziplinär zusammen.

Weitere Information zum Projekt unter (nur auf Englisch): externe Seitewww.rise-eu.org.

Erkenntisse des Projekts

Ausgelöst durch den technischen Fortschritt, der die Zusammenführung von Informationen über natürliche, anthropogene und sozio-natürliche Gefahren ermöglicht hat, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Multi-Gefahren-Plattformen eingerichtet. Trotz ihrer zunehmenden Nutzung wurde überraschenderweise wenig untersucht, wie die Öffentlichkeit die von diesen Multi-Gefahren-Plattformen bereitgestellten Gefahreninformationen wahrnimmt. Da die meisten von ihnen Karten auf der Startseite verwenden, waren wir besonders an den verschiedenen Ansätzen zur Darstellung von Mehrfachgefährdungen und zur Zusammenstellung der Inhalte der den Karten beigefügten Gefahrenhinweise interessiert. Mit einem Online-Conjoint Choice-Experiment (N = 768, vollständig randomisiertes Design) testeten wir verschiedene Startseitendesigns und Gefahrenhinweise, die die Vielfalt der in Multi-Hazard-Plattformen verwendeten Elemente repräsentieren. Die Alternativen wurden den Teilnehmern nach dem Zufallsprinzip paarweise angezeigt (between-subjects design), wobei sie gebeten wurden, die Alternativen zunächst einzeln zu bewerten und dann zu wählen, welche der beiden sie bevorzugen. Unsere Hauptergebnisse sind, dass die Teilnehmer eine Startseite bevorzugen, die aus einer einzigen Karte mit Textinformationen über die aktuellen Gefahren unterhalb der Karte besteht. Darüber hinaus bevorzugen sie Gefahrenklassifizierungen mit vier oder fünf Gefahrenkategorien. Zudem schätzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Einbettung einer Sharing-Funktion in die Gefahrenhinweise. Schliesslich bevorzugen die Teilnehmer eine Kombination aus textlichen und bebilderten Verhaltensempfehlungen. Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Gestaltung der auf Multi-Gefahren-Plattformen bereitgestellten Informationen tatsächlich die Präferenzen der Öffentlichkeit beeinflusst. Parallel zur kontinuierlichen Verbesserung wissenschaftlich-technischer Produkte sollte daher auch die Kommunikation und Wahrnehmung dieser Produkte systematisch untersucht werden.

Weitere Informationen:

Ermittlung der Informationsbedürfnisse der Öffentlichkeit und der Präferenzen für App-Funktionen in einem partizipativen Prozess.

In der Zeit der nahezu sofort verfügbarenen Information und der Kommunikation mit grosser Bandbreite entwickeln sich die Erwartungen der Öffentlichkeit hinsichtlich der Verfügbarkeit von massgeblichen kurzfristigen und Echtzeit-Gefahreninformationen schnell. Trotz der Existenz zahlreicher Apps, die Gefahreninformationen abdecken, wurde bisher nur wenig Forschung betrieben, um zu beurteilen, was die Öffentlichkeit tatsächlich von einer solchen App erwartet. Die wahrgenommene Nützlichkeit ist entscheidend, da die Öffentlichkeit nur Apps nutzen wird, die ihr einen Mehrwert bieten. Mehrere Studien haben herausgefunden, dass die Menschen eine App, die relevante Gefahren kombiniert, einer App mit nur einer Gefahr vorziehen. Daher konzentrierten wir uns bei unserer Analyse auf Multi-Gefahren-Apps. In sieben virtuellen, interaktiven Workshops haben wir die Informationsbedürfnisse der Bevölkerung und die Präferenzen der App-Funktionen ermittelt. In Bezug auf die Inhalte von Multi-Gefahren-Apps zeigen unsere Ergebnisse, dass die Teilnehmer*innen vor allem Naturgefahren kombinieren würden, aber auch ein Interesse an der Integration von anthropogenen und sozio-natürlichen Gefahren haben. Zu diesem Zweck befürworten die Teilnehmer*innen das Versenden von Push-Benachrichtigungen für Gefahren mit geringer Wahrscheinlichkeit über Allzweck-Apps (z. B. Wetter-Apps), um ein grösseres Publikum zu erreichen. Trotz der gewünschten Vielfalt an Gefahreninformationen bevorzugen die Teilnehmer*innen eine App, die sich nur auf relevante Informationen konzentriert und die Nutzer*innen für weitere Informationen an andere autorisierte Quellen weiterleitet. Als relevante Informationen definieren die Teilnehmer*innen: Ort, Zeit, Schweregrad der Gefahr, Verhaltensempfehlungen und Kontaktdaten von Rettungsdiensten. Darüber hinaus wünschen sie sich folgende Funktionen: Push-Benachrichtigungen, einen Hilfe-Button, eine Sharing-Funktion, ein Chat-Forum, einen «Ich bin sicher»-Button und einen «Melde ein Ereignis»-Button.

Weitere Informationen:

Dritte Studie: Handlungsorientiert und verständlich? Evidenzbasierte Empfehlungen für die Gestaltung von (Multi-)Gefahrenwarnungen

Die Übermittlung ereignisbezogener Gefahreninformationen kann dazu beitragen, wirksame Reaktionen der Öffentlichkeit einzuleiten und somit Verletzungen und Todesfälle zu verringern. Echtzeit-Informationen werden der Öffentlichkeit üblicherweise über Multi-Hazard-Plattformen übermittelt. Es ist jedoch noch nicht erwiesen, ob die Botschaften dieser Plattformen richtig verstanden werden und ob sie die Absicht der Menschen, Massnahmen zu ergreifen, erhöhen. Unser Ziel war es daher, Empfehlungen zu erarbeiten, wie handlungsfähige und verständliche (Multi-)Gefahrenwarnungen entwickelt werden können. Zu diesem Zweck entwarfen wir verschiedene Übersichten und Gefahrenmeldungen, die während der fünf virtuellen Workshops, die wir mit Experten (N = 15) aus verschiedenen Bereichen durchführten, verfeinert wurden. Anschliessend befragten wir die Schweizer Bevölkerung (N = 601, Between-Subjects-Experiment), um zu überprüfen, ob unsere Entwürfe die Handlungsbereitschaft der Menschen erhöhen und ihnen helfen, die präsentierten Informationen richtig zu interpretieren. Es zeigte sich, dass die Gestaltung der Gefahrenübersichten keinen signifikanten Einfluss auf die Handlungsabsicht hatte, wahrscheinlich weil die Teilnehmer generell ein hohes Interesse an der Suche nach weiteren Informationen zeigten. Im Gegensatz dazu erhöhten die Gefahrenübersichten mit Zeit- und Handlungshinweisen signifikant das Verständnis der Personen, ob sie sofortige Massnahmen ergreifen sollten. Darüber hinaus erhöhte das Hinzufügen eines zeit- und handlungsbezogenen Symbols zu den Gefahrenmeldungen signifikant die Absicht der Personen, Massnahmen zu ergreifen. Sowohl bei den Gefahrenübersichten als auch bei den Meldungen wurde festgestellt, dass die Absicht der Menschen, Massnahmen zu ergreifen, proportional zum Schweregrad und zur Dringlichkeit der Gefahr ist und von verschiedenen persönlichen Faktoren, wie etwa früheren Erfahrungen mit Gefahren, beeinflusst wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bereitstellung von Informationen auf Multi-Hazard-Plattformen die Öffentlichkeit zum Handeln veranlassen und damit die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegenüber Katastrophen erhöhen kann.

Weitere Informationen:

  • Dallo, I., Stauffacher, M., & Marti, M. (2022). Actionable and understandable? Evidence-based recommendations for the design of (multi-)hazard warning messages. International Journal of Disaster Risk Reduction, 74, 102917. doi: externe Seite10.1016/j.ijdrr.2022.102917

Verständnis der Kommunikation ereignisbezogener Erdbebeninformationen in einem Multi-Gefahren-Kontext zur Verbesserung der Resilienz der Gesellschaft

Meine Forschungsergebnisse helfen Forschenden, Praktiker*innen, Expert*innen und anderen Akteur*innen im Bereich der Gefahren- und Risikokommunikation, wirksame, ereignisbezogene Multi-Gefahren-Übersichten und spezifische Gefahrenmeldungen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung in der Lage ist und die Absicht hat, die empfohlenen Massnahmen zu ergreifen. Die heute bereits bestehenden Multi-Gefahren-Plattformen werden genutzt und sind technisch gut umgesetzt. Sie müssen jedoch noch besser auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten werden, um die Resilienz der Gesellschaft gegenüber (Natur-)gefahren wirksam zu erhöhen. Zu diesem Zweck sind insbesondere zeit- und handlungsbezogene Hinweise bereits auf den Gefahrenübersichten erforderlich, damit die Nutzer*innen auf den ersten Blick erkennen können, bei welchen Gefahren sofortiger Handlungsbedarf besteht. Die mit den Übersichten verknüpften Gefahrenmeldungen sollten detailliertere Informationen liefern, die die Nutzer*innen dazu veranlassen, die empfohlenen Massnahmen zu ergreifen. Interaktive Funktionen wie ein Meldebutton oder eine «Ich bin sicher» Schaltfläche ermöglichen es den Nutzer*innen ausserdem, Notfälle zu meistern und miteinander zu interagieren. Zusammenfassend bedeutet dies, dass die Kommunikation ereignisbezogener Informationen auf Multi-Gefahren-Plattformen, wenn nutzerorientiert gestaltet, die Resilienz der Gesellschaft gegenüber Erdbeben und Gefahren im Allgemeinen erhöhen kann.

Weitere Informationen:

Dallo, I. (2022). Understanding the communication of event-related earthquake information in a multi-hazard context to improve society’s resilience [Doctoral dissertation]. ETH Zurich.

Personen aus dem TdLab

Irina Dallo, Michèle Marti und Michael Stauffacher

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert